Verben - Wie sie dir helfen, deinen Text lebendiger zu gestalten (und wie nicht). Schreibtipp von frei & fantastisch: Lektoratsservice

Wie dir Verben dabei helfen, deine Texte lebendig zu gestalten (und wie nicht)

Verben, auch als Tu-Wörter bekannt, bilden als Prädikat das Herzstück eines jeden vollständigen Satzes. Als Autor:innen wollen wir, dass unsere Texte spannend, lebendig und abwechslungsreich sind. Unser bestes Werkzeug hierbei sind Verben. In diesem Betrag liefere ich dir wissenswerte Infos über Verben, zeige auf, welche mehr oder weniger Bedeutungsgehalt haben und wie du dich mit der Wahl des richtigen Verbs anschaulicher und treffender ausdrückst. Natürlich liefere ich dir hilfreiche Tricks und Beispiele aus meinem Alltag aus Autorin und Lektorin.

Dieser Beitrag stammt usprünglich aus meinem Lektoratsblog auf steffifrei.de, der inzwischen hierher umgezogen ist. Inspiration dafür war der #Lektor_innenmontag von Instagram, der sich den gesamten März 2022 um Verben drehte. Die geballte Ladung Verben-Wissen aus meinen Wochenbeiträgen findest du im Folgenden.

Verben und ihre Bedeutung

Verben sind so etwas wie die „Systemrelevanten“ unter den Wörtern. Als Prädikat ist das Verb der wichtigste Bestandteil eines Satzes (Wir erinnern uns, ein Satz besteht aus: Subjekt + Prädikat + Objekt). Ohne geht’s also nicht!

In Kürze: Was ist nochmal ein Verb? Ach ja, das sind die sogenannten Tuwörter oder auch Zeit- oder Tätigkeitswörter. Und damit sind wir auch schon bei ihrer Bedeutung.

Diese lässt sich in drei Klassen unterteilen:

  • Zustandsverben (Das Kind ist müde. Infinitiv: sein)
  • Vorgangsverben (Die Pflanze wächst. Infinitiv: wachsen)
  • Tätigkeitsverben (Der Autor schreibt. Infinitiv: schreiben)

Anhand der Beispiele in den Klammern zeigen sich zwei weitere Merkmale von Verben:
1) Sie stehen immer in Zusammenhang mit einem Subjekt (in den Beispielsätzen: Das Kind, die Pflanze, der Autor)
2) Sie sind veränderbar (flektierbar) und geben somit Auskunft über: die Person (1., 2., 3.), die Zahl (Singular, Plural) die Zeitform, die Handlungsart (aktiv oder passiv) und den Modus (Indikativ, Konjunktiv, Imperativ). Diese Veränderung wird als Konjugation bezeichnet.

Verben sind mitteilungsbedürftig – manche mehr, manche weniger

Verben sind unumgänglich für einen anständigen Text und tragen einen enormen Anteil dazu bei, ob ein Text einfach, langweilig, lebendig oder anspruchsvoll ist. Als Autor:innen streben wir Texte an, die spannend, lebendig und abwechslungsreich sind. Wir möchten zum Weiterlesen anregen und gut unterhalten. Unser bestes Werkzeug hierbei sind Verben. Deswegen rate ich dir, sehr sorgfältig bei der Wahl der richtigen Verben vorzugehen.

Unter der unermesslichen Auswahl an uns zur Verfügung stehenden Verben gibt es nämlich jene, die über besonders viel Aussagekraft verfügen und jene, die sich auf das Grundlegende beschränken. Je nach Textart sind die einen oder anderen besser geeignet. Ist es uns zum Beispiel wichtig, Fakten oder Informationen ohne Umschweife auf den Punkt zu bringen, sollten wir uns der einfachen Verben bedienen.

Doch in Geschichten möchten wir für gewöhnlich mehr transportieren, als nur einfache Vorgänge. Wir möchten Gefühle vermitteln und möglichst viele Sinne ansprechen. Daher ist hierbei die Auswahl besonders aussagekräftiger Verben ratsam.

In der folgenden Übersicht liefere ich dir einige Beispiele für einfache Verben (linke Spalte) und aussagekräftigere Alternativen:

gehenschlendern, stapfen, marschieren, schleichen, schreiten, flanieren …
hörenvernehmen, (be-)lauschen, horchen, aufschnappen, mitbekommen …
sehen, schauenbeobachten, begutachten, inspizieren, lugen, beäugen, entdecken, schielen …
machenanfertigen, erzeugen, herstellen, schaffen, zubereiten, etwas zu tun haben, sich mit etwas beschäftigen, erwecken, veranlassen, verursachen, bewältigen, durchführen, erledigen …

Mehr Schein als sein oder auch: Was soll das Gehabe? – zu den Hilfsverben „sein“ und „haben“

Bei den Verben „haben“, „sein“ und „werden“ handelt es sich um Hilfverben. Nicht, weil sie so hilfsbereit wären, sondern weil sie der Bildung von zusammengesetzten Verbformen dienen. Sie treten in dieser Funktion immer mit einem Vollverb auf und haben selbst keine Aussagekraft (außer, dass sie eben anzeigen, dass es sich um eine bestimmte Zeitform oder einen bestimmten Modus handelt).

Beispiele:

  • Ich habe geschlafen oder ich bin eingeschlafen.
  • Er kam zu spät, weil er den Bus verpasst hatte.
  • Sie wird später kommen

Als Vollverben machen „haben“ und „sein“ keine gute Form, auch wenn wir sie umgangssprachlich häufig als solche gebrauchen. In den allermeisten Fällen lassen sie sich mit treffenderen Verben ersetzen.

Beispiele wie sich Sätze mit „haben“ oder „sein“ als Vollverben umformulieren lassen:

Sie hat ein Auto.Sie besitzt ein Auto; ihr gehört ein Auto; Sie verfügt über ein eigenens Auto; Sie fährt gern mit ihrem schnittigen Auto durch die Gegend …
Ihr Kleid ist rot.Ihr Kleid leuchtet in einem tiefen Rot; Sie trägt ein Kleid in Rottönen; Ihr Kleid ergießt sich wie Blut über ihren Körper; Das rote Kleid steht ihr ausgezeichnet…
Er hat Angst vor engen Räumen.Er füchtet sich vor engen Räumen/Er fürchtet enge Räume; Enge Räume bereiten ihm Angst; Ihm graut es vor engen Räumen …
Er ist Autor.Er verdingt sich als Autor; Er verdient sein Geld als Autor; Er arbeitet (nebenbei) als Autor; Er lebt vom Schreiben, Nebenbei/Hauptberuflich schreibt er Romane/Sachbücher; …

Hätte, wenn und aber – Modalverben

Modalverben treten zusammen mit einem Infinitiv auf und drücken Möglichkeiten, Notwendigkeiten, Wünsche oder Erfordernisse aus.

Folgende Modalverben existieren im Deutschen: dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen, (lassen).

Sie verfügen somit über mehr Aussagekraft als Hilfsverben, doch sie haben zwei schlechte Angewohnheiten: Zum einen sind sie recht allgemein gehalten und können auf vielerlei Weise interpretiert werden. (Sie sind demnach oft uneindeutig.) Zum anderen schummeln sie sich gern in großer Anzahl in unsere Texte und stehlen damit aussagekräftigeren Verben/Formulierungen den Platz.

Beispiele gefällig? Auch hier gibt es wieder Alternativen:

dürfenüber das Recht/die Erlaubnis verfügen; jemandem obliegen etwas zu tun; die Freiheit besitzen; erlaubt/gestattet sein; zu etwas berechtigt/befugt sein
könnenvermögen; beherrschen; draufhaben; schaffen; fertigbringen; die Möglichkeit haben; über die Möglichkeit/Fähigkeit verfügen; in der Lage/fähig sein; denkbar/möglich sein
mögen (möchten)wünschen; den Wunsch hegen; an etwas Gefallen finden; lieben; bevorzugen; erstreben, anstreben …
müssenfür erforderlich/nötig halten; erzwingen; gezwungen sein, nötigen; nötig sein; sich gezwungen sehen/fühlen; nicht umhinkommen
sollenin der Pflicht stehen; aus (un)sicherer Quelle wissen; heißen; zu etwas beauftragt sein; verpflichtet sein; vergönnt sein …
wollenwünschen; den Wunsch hegen; vorhaben; verlangen; bedürfen; begehren; Anspruch erheben; anstreben; beabsichtigen; auf etwas bestehen; auf etwas aus sein …

Vampirverben: Wenn Verben deinem Text die Energie rauben

Eine besonders unliebsame Spezies unter den Verben sind sogenannte Vampirverben. Und nein, damit sind nicht etwa Verben wie beißen, bluten, aussaugen oder wiedererwachen gemeint. Stattdessen handelt es sich um böswillige Vertreter, die anderen Wörtern den Lebenssaft rauben und somit ihre Bedeutung schwächen. Genau genommen handelt es sich bei diesen Verben also nicht um Blutsauger, sondern um Psi- bzw. Energie-Vampire.

Zu diesen räuberischen Verben zählen: scheinen, wirken, versuchen, anfangen, beginnen.

Sie tun im Grunde nichts anderes, als den Rest der Aussage abzuschwächen. Auch Filterverben wie spüren, sehen, hören usw. können einen mindernden Effekt haben.

Wieder folgen Beispiele:

Mit Vampirverben: Die Dunkelheit schien sie gänzlich einzuhüllen. Sie hörte ein Rascheln im Gebüsch. Plötzlich spürte sie einen kalten Windhauch im Nacken und ihre Härchen fingen an, sich aufzustellen. Sie begann, sich zu fürchten. Es wirkte, als stünde jemand direkt hinter ihr.

Ohne Vampirverben: Die Dunkelheit hüllte sie gänzlich ein. Es raschelte im Gebüsch. Plötzlich strich ein kalter Windhauch über ihren Nacken und ihre Härchen stellten sich auf. Furcht ergriff sie. Stand da etwa jemand hinter ihr?

Der Text ohne Vampir- und Filterverben ist sowohl kürzer als auch unmittelbarer. Er schafft mehr Nähe zwischen Lesenden und Erzählstimme bzw. Protagonistin.

Sprechverben und Inquit-Formel

Schauen wir uns nun noch einmal Sprechverben an, jene Verben, die wir benutzen, um die wörtliche Rede anzuzeigen. Diese Redebegleitsätze werden auch Inquit-Formel genannt (z. B. er*sie sagt).

Inquit-Formel = Redebegleitsätze, bestehend aus einem Nomen oder Pronomen und einem Sprechverb. Sie leiten die wörtliche Rede ein, schließen diese ab oder stehen als Einschub inmitten der wörtlichen Rede.

Beispiele:

  • Sie fragte: „Hallo, wie geht’s dir?“
  • „Hallo, wie geht’s dir?“, fragte sie.
  • „Hallo“, sagte sie. „Wie geht’s dir?“

Nicht alle Verben bieten sich als Sprechverb an. Geeignete Verben sind z. B.: sagen, fragen, flüstern, rufen, raunen. Auch zu den Sprechverben zählen: antworten, erwidern, entgegen.

Keine Sprechverben sind hingegen: husten, lächeln, grinsen, nicken, lachen.

Die Meinungen dazu, welche Verben in Redebegleitsätzen legitim sind und wieviel Variation sinnvoll ist, gehen auseinander. Manche Autor:innen verwenden fast ausschließlich sagen oder fragen, andere hingegen lieben die Vielfalt. Ich empfehle, verschiedene Varianten zu testen und die Vorgehensweise zu wählen, die einem am besten liegt. Es kann auch stark vom Projekt und dem jeweiligen Schreibstil abhängen.

Wichtig ist: Verwende Redebegleitsätze nur, wenn sie nötig sind, um anzuzeigen, wer gerade spricht. Achte darauf, dass es sich wirklich um Verben des Sprechens handelt.

Das waren meine gebündelten Infos und Tipps rund um die populäre Wortart „Verben“. Gern unterstütze ich dich in deinem fantastischen Projekt als Lektorin, Korrektorin und/oder Setzerin. Stelle gleich deine Anfrage.

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